Vielfalt spielend beherrschen
Die wachsende Produktvielfalt fordert den Maschinenbau, kosteneffizient und immer schneller individelle Lösungen anzubieten. Mit einem smarten Variantenmanagement gelingt dies.
Agil auf Marktbedürfnisse reagieren, Produktvarianten konfigurieren
statt entwickeln und in kürzester Zeit liefern – das ist die Grundlage für eine Auftragsabwicklung im digitalen Zeitalter.
Die Varianten besser zu managen, reicht heute nicht mehr aus. Erfolgreich bleibt, wer Vielfalt spielend beherrscht. Dies gelingt durch ein effizientes Portfolio und einen schlanken, auf die Wertschöpfungskette ausgerichteten, modularen Produktbaukasten.
„Varianten besser zu managen, reicht im digitalen Zeitalter nicht mehr aus.“
Der Weg dorthin beginnt im Vertrieb und im Produktmanagement, fordert immense Lösungskompetenz von der Entwicklungsabteilung und wird lebendig durch die enge Abstimmung mit der Wertschöpfungskette.
Dabei kommt der Entwicklung eine Schlüsselposition zu. Denn nur ein auf die neue Strategie ausgelegtes modulares Produkt wird am Markt bestehen.
Das Portfolio wirkungsvoll zuschneiden
Portfoliobereinigung hat keinen guten Ruf – teilweise zu Recht. Je kleiner die Stückzahl eines Produkts ist, desto kritischer ist die Portfoliobereinigung zu bewerten. Denn auch, wenn eine Variantenreduktion um beispielsweise 30 Prozent gelingt, sind die auswählbaren Varianten um ein Vielfaches höher als
das, was Kunden über das Produktleben hinaus kaufen. So ist fraglich, ob sich die Bereinigung überhaupt im Unternehmensalltag auswirkt. Dass dies gelingen kann, zeigt ein genauer Blick auf sehr selten oder sehr häufig gestellte Anforderungskombinationen. Hier lassen sich immense Potenziale in der Auslegung von Modulen und Schnittstellen nutzen. So wird das Portfolio wirkungsvoll und präzise zugeschnitten.
Landkarte des Baukastens
Ziel der Produktentwicklung ist es nun, dieses zugeschnittene Portfolio durch einen schlanken modularen Baukasten zu ergänzen. Grundlage hierfür ist eine generische Produktarchitektur. Deren Zusammenspiel von Komponenten, Funktionen und Schnittstellen folgt einem gemeinsamen Aufbau, der für alle Produktvarianten gilt. Diese Architektur ist die Basis, um zukünftig Module in verschiedenen Varianten zu kombinieren.

Viele Unternehmen verstehen modulare Baukästen als Gegenspieler der Innovation. Dabei können sie mithilfe einer langfristigen Portfolioplanung Innovationen auf das Portfolio übertragen, ohne dass sie viele Änderungen mit sich bringen. Weiterhin ist ein partielles Rollout möglich, sodass Firmen ihren
anspruchsvollen und kostenbewussten Kunden neue Technologien und bewährte
Produkte gleichzeitig anbieten können. Dies gelingt nur mit langfristig geplanten Modulschnittstellen. Aus diesem Grund müssen sich die Verantwortlichen des Innovationsmanagements und des Portfoliomanagements eng abstimmen.
Konfigurationen planen und regeln
Oft fällt es schwer, den Überblick über die Wirkungen von Kombinationen zu behalten. Es ist fraglich,
- welche Vielfalt durch die Kombinationen aller Optionen und Variationen entsteht,
- welche Kombinationen vorzugeben oder auszuschließen sind oder
- welche Wirkung dies auf das Portfolio und die Kundenwünsche haben kann.
Diese Fragen können Unternehmen häufig erst im Produktivprozess beantworten, wenn sie beispielsweise einen Konfigurator einsetzen. Zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings zu spät, um die modulare Struktur der Produkte optimal auf die Konfigurierbarkeit auszulegen. Deshalb ist es bei der Gestaltung der
modularen Struktur wichtig, die Konfiguration frühzeitig mit geeigneter Software zu prüfen.
„Schon bei der Entwicklung sollten Firmen die Ansprechpartner der Wertschöpfungskette ins Boot holen.“
Ein weiteres Kriterium bei der Entwicklung einer modularen Struktur ist, die Wertschöpfungskette zu entlasten. Die Ziele können dabei unterschiedlich sein: Weniger Engineer-to-Order und mehr Configure-to-Order, Stückzahleffekte in Produktion und im Einkauf oder kürzere Lieferzeiten sind Ziele vieler Modularisierungsprojekte. Deshalb sollten Firmen die modulare Produktstruktur
schon im Entwicklungsprozess auf die Ziele ihrer Wertschöpfungskette ausrichten und überprüfen. Dies erreichen jene Unternehmen, die frühzeitig die entsprechenden Ansprechpartner aus der Wertschöpfungskette ins Boot holen. Hier sind disziplinenübergreifende Visualisierungen wichtig, um ein gemeinsames
Verständnis zu erreichen und gemeinsame Entscheidungen treffen zu können.
Komplexitätskosten bestimmen
Damit der modulare Baukasten seine Ziele erreicht, sind quantitative Bewertungen unerlässlich. Hierbei ist es wichtig, dass sich Unternehmen nicht auf die Herstellkosten beschränken. Zusätzlich entstehen in Betrieben, die viele Varianten entwickeln und fertigen, Komplexitätskosten.
Dies sind Kosten, die auf die Vielfalt zurückzuführen sind, etwa entgangene
Stückzahleffekte, hohe Entwicklungsaufwände sowie der Aufwand für Dokumentation und Pflege. Beziehen Firmen diese Effekte nicht in die Bewertung
mit ein, ergibt sich ein falsches Bild. Neue Strukturen,
die die Gesamtprofitabilität des Unternehmens steigern sollen, werden so nicht richtig beurteilt. Viele entsprechende Effekte lassen Firmen in solchen Fällen außer Acht. Zu einem neuen Ergebnis gehört auch ein neues Zielsystem. Dies aufzubauen, ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben bei der Einführung modularer Strukturen.
Der Weg lohnt sich
Die genannten Aufgaben können die Führungsverantwortlichen nicht nebenbei
erfüllen. Modulare Produktstrukturen zu entwickeln, in Firmen umzusetzen und zu verankern, ist ein Weg, der für mehrere Jahre angelegt werden muss. Je
entschlossener Betriebe diesen Weg gehen, desto besser wird das Ergebnis sein.
Ein Baukasten im Anlagenbau mit über 70 Prozent auftragsneutralen Komponenten ist dafür nur ein Beispiel der vielen ermutigenden Erfolgsgeschichten im Maschinen- und Anlagenbau.
Dieser Artikel ist in den VDMA Nachrichten 12/18 erschienen.